Uran – Toxisches Schwermetall, Radioisotop und geopolitischer Zündstoff
Weltweit zunehmende militärische Konflikte, Berichte über die Fortsetzung des iranischen Atomprogramms und der Einsatz von bunkerbrechenden Bomben in aktuellen Kriegen rücken Uran derzeit verstärkt in den Fokus der öffentlichen und wissenschaftlichen Debatte.
Uran ist ein natürlich vorkommendes Schwermetall, das in großen Mengen in der Erdkruste vorhanden ist. Für den Energiebedarf moderner Gesellschaften wird es aufwendig abgebaut, angereichert und als Kernbrennstoff in Atomkraftwerken genutzt. Neben der zivilen Nutzung findet Uran auch militärische Anwendung, etwa in panzerbrechender Munition („depleted uranium“, DU) und – als hoch angereichertes Uran – in Kernwaffen. Menschen kommen mit Uran nicht nur über Nahrung, Trinkwasser und Staub in Kontakt, sondern auch über Arbeitsplätze im Uranbergbau oder in Atomkraftwerken, wo neben Uranstaub auch erhöhte Strahlung relevant ist. Zusätzlich kann in Kriegsgebieten durch den Einsatz von DU-Munition eine inhalative Belastung mit feinen Uranpartikeln entstehen.
Uran vereint chemische Schwermetalltoxizität mit radiotoxischen Aspekten. Akut kann die orale oder inhalative Aufnahme hoher Mengen zu Übelkeit, Erbrechen, akuten Nierenschäden, Atemwegsreizungen und Kreislaufversagen führen. Chronisch treten bereits bei deutlich geringeren Konzentrationen Nierenschäden, Beeinträchtigungen der Fortpflanzung, embryotoxische Effekte, Verhaltensänderungen und Entwicklungsstörungen auf. Hinweise auf genotoxische Effekte gibt es aus in vitro-Untersuchungen, diese wurden aber bislang nicht mit einer erhöhten Krebsrate beim Menschen in Verbindung gebracht.
Zahlreiche Studien zeigen, dass die chemische Toxizität von abgereichertemUran der von natürlichem Uran entspricht (WHO 2001). Die Form des Urans spielt dabei eine große Rolle: Gut lösliche Uranverbindungen wie Uranyl-Salze werden rasch resorbiert und reichern sich in Nieren und Skelett an, schwer lösliche Uranoxide dagegen sind deutlich weniger bioverfügbar. Inhalierte Uranpartikel können sich zudem in der Lunge ablagern.
Der größte Teil des aufgenommenen Urans wird innerhalb weniger Tage über den Urin ausgeschieden. Dennoch ist eine chronische Exposition kritisch. Nierenschäden gelten als Leitsymptom der Urantoxizität, weshalb sie für die Risikobewertung und der Ableitung einer tolerierbaren täglichen Aufnahmemenge („Tolerable Daily Intake“ (TDI)) von 0,6 μg Uran/kg Körpergewicht und Tag herangezogen wurden. Belastungen aus natürlichen Quellen wie Trinkwasser liegen in Europa in der Regel weit unterhalb dieser Schwelle und stellen keine relevante Gesundheitsgefahr dar.
Langzeitbeobachtungen an Golfkriegsveteranen, die DU-Splitter im Körper tragen, zeigen trotz nachweislich erhöhter Uranwerte im Blut bislang keine schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen. Dennoch forderte das Europäische Parlament bereits 2008 ein Moratorium für den Einsatz von DU-Munition – eine Forderung, die von der Bundesregierung bis heute nicht aktiv unterstützt wird (EP 2008).
Angesichts der geopolitischen Entwicklungen und der fortschreitenden Nutzung von Uran bleibt es, aufgrund des toxischen Profils von Uran und seiner Strahlkraft wichtig, auf die Einhaltung von Arbeitsplatzgrenzwerten, die regelmäßige Überwachung von Uran in Trinkwasser, aber vor allem die Dekontamination von Kriegsgebieten mit der nötigen Sorgfalt zu betreiben, um die Exposition von Bevölkerung und Beschäftigten möglichst gering zu halten.
Text: Ute Haßmann
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Links:
- Bundesamt für Strahlenschutz (BfS): BfS - Uran
- Depleted uranium: sources, exposure and health effects. Geneva: WHO, 2001. Front, Preface, Exec summary, Contents.PDF
- Radiological hazards in uranium mining and milling. Vienna: IAEA, Safety Reports Series No. 49, 2007. STI/Pub/P1257
- Gulf War and Health: Updated Literature Review of Depleted Uranium. Washington, DC: National Academies Press, 2008. Toxicologic and Radiologic Risks to Military Personnel from Exposures to Depleted Uranium
- Entschließung zu Waffen mit abgereichertem Uran und deren Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt. 2008/C 279 E/18. ENTSCHLIESSUNGSANTRAG B6-0230/2008 | Europäisches Parlament
- Radiological hazards in uranium mining and milling. Vienna: IAEA, Safety Reports Series No. 49, 2007.SSDL Newsletter Issue No. 52, July 2006 | IAEA
- Dary et al (2005) Radon in homes and risk of lung cancer: collaborative analysis of individual data from 13 European case–control studies. BMJ 2005; 330:223.
Radon in homes and risk of lung cancer: collaborative analysis of individual data from 13 European case-control studies | The BMJ
Uranoxide
In der Umwelt liegt Uran meist als schwer lösliches Oxid vor. Urandioxid (UO₂) dient in Reaktoren als Brennstoff. Andere Verbindungen wie Urantrioxid (UO₃) oder Triuranoctoxid (U₃O₈) sind chemisch reaktiver und besser löslich, wodurch sie biologisch verfügbarer werden.
Bevor man sich der gesundheitlichen Risiken bewusst wurde, kamen Uranoxide aufgrund ihrer Leuchtkraft auch als Pigmente für Glasuren zum Einsatz.
Isotope des Urans
Isotope sind Atome desselben Elements mit identischer Protonenzahl, aber unterschiedlicher Neutronenzahl. Uran besitzt 25 bekannte Isotope, in der Natur dominieren 238U (99,27 %), 235U (0,72 %) und Spuren von 234U. 235U ist das einzige natürlich vorkommende, gut spaltbare Isotop. Durch Anreicherung kann der 235U-Anteil gezielt für zivile oder militärische Zwecke erhöht werden. Die Halbwertszeiten der Isotope variieren von Milliarden Jahren (238U: 4,5 Mrd. Jahre) bis zu Mikrosekunden.
Uran als Kernbrennstoff
In Kernkraftwerken wird Uran als Brennstoff zur Stromerzeugung eingesetzt. Verwendet wird hierfür hauptsächlich das Isotop 235U, das in natürlichem Uran nur zu 0,72 % vorkommt. Durch Anreicherung wird der Anteil auf etwa 3–5 % erhöht („Low Enriched Uranium“, LEU), wodurch es in Leichtwasserreaktoren spaltbar wird. Das angereicherte Uran wird zu Urandioxid (UO₂) verarbeitet, in Form kleiner Pellets in Brennstäbe gefüllt und in Reaktorkernen genutzt. Die Strahlung des frischen Brennstoffs ist relativ gering (vor allem α-Strahlung) und primär ein chemisches Risiko. Erst nach Bestrahlung im Reaktor („Abbrand“) entstehen hoch radioaktive Spaltprodukte, die besondere Schutzmaßnahmen erfordern.
Uran in Atomwaffen
In der Geschichte der Atomwaffenentwicklung spielte Uran eine zentrale Rolle. Die erste im Krieg eingesetzte Atombombe, die am 6. August 1945 auf Hiroshima abgeworfen wurde, nutzte auf etwa 80 % angereichertes Uran (235U) als Spaltmaterial, da nur dieses Isotop in einem schnellen, unmoderierten Neutronenfluss ausreichend gut spaltbar ist. Die Bombe über Nagasaki drei Tage später beruhte bereits auf 239Plutonium, das in Kernreaktoren aus 238Uran erzeugt wird. Für militärische Zwecke muss Uran also deutlich aufwendiger angereichert werden, als für die Nutzung als Brennstoff. Ab einem Anteil von über 20 % 235U gilt es als „Hoch angereichertes Uran“ (HEU). Mit einem 235U-Anteil von etwa 85 % gilt es als kernwaffenfähig. Die sofortige Wirkung einer Uranbombe beruht vor allem auf Druckwelle, Hitze und intensiver γ- und Neutronenstrahlung. Die langlebigen radioaktiven Rückstände der Uranbombe sind jedoch weniger ausgeprägt als bei einer Plutoniumwaffe. Die Überlebenden erlitten unmittelbare thermische und mechanische Verletzungen. Langfristig zeigte sich eine erhöhte Rate an Leukämien und soliden Tumoren, bedingt durch die akute Strahlenexposition.
Uranmunition
Panzerbrechende Munition mit DU nutzt die hohe Dichte von Uran (19,1 g/cm³), um maximale Durchschlagskraft zu erzielen. Die α-Strahlung des DU ist militärisch irrelevant, jedoch können feine Uranpartikel beim Aufprall entstehen, die eingeatmet werden können. DU-Munition kam im Golfkrieg 1991 erstmals großflächig zum Einsatz. Ihre gesundheitlichen Folgen sind umstritten. Bunkerbrechende Bomben nutzen hingegen selten Uran, sondern besitzen meist einen Wolframkerne.