Nitrit, der gefährliche Bruder des Nitrats

Nitrat (NO3-) ist eine Stickstoffverbindung, die von Natur aus im Boden vorkommt, aber auch eine der Hauptformen von Stickstoff, die in Düngemitteln verwendet wird, um das Pflanzenwachstum zu fördern. Stickstoff ist ein wichtiger Bestandteil von Proteinen und anderen lebenswichtigen Verbindungen in Pflanzen. Die Verfügbarkeit von Stickstoff ist oft ein begrenzender Faktor für das Pflanzenwachstum, weshalb Nitratdüngung in der Landwirtschaft zur Ertragssteigerung eingesetzt wird.

Pflanzen nehmen Nitrat aus dem Bodenwasser auf und wandeln es in Stickstoffverbindungen um, die sie für den Aufbau von Proteinen und anderen lebenswichtigen Verbindungen verwenden können. Überschüssiges Nitrat akkumuliert besonders in den Stängeln und Blattstielen von Gemüsearten wie Kopfsalat, Rucola, Spinat, Rote Rüben und Kohlgemüse. Die EU hat Nitrathöchstgehalte für bestimmte Produkte pflanzlichen Ursprungs in der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 der Kommission festgelegt

Auf Äcker aufgebrachtes Nitrat gelangt aber auch ins Grundwasser. In Deutschland ist in vielen Regionen das Grundwasser zu hoch mit Nitrat belastet, da in der Vergangenheit zu viel nitrathaliger Dünger auf deutsche Äcker und Wiesen aufgebracht wurde und die Regulierungs- und Kontrollmaßnahmen, die Deutschland bisher dagegen ergriffen hat, zu gering waren. Deshalb hat die Europäische Union 2014 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen überhöhter Nitratwerte im Grundwasser eingeleitet und Deutschland 2018 vor dem Europäischen Gerichtshof angeklagt.

Nitrat selbst ist für Tiere und Menschen unbedenklich, kann aber in Nitrit (NO2-) umgewandelt werden. Die Umwandlung findet einerseits im Körper, bereits im Speichel und dann im Zuge der Verdauung statt, anderseits sind bestimmte Bakterien in der Lage, Nitrat in Nitrit umzuwandeln. Dieser Prozess wird als Denitrifikation bezeichnet und tritt normalerweise in sauerstoffarmen Umgebungen auf, wie z.B. in nassen Böden oder in Gewässern.

Weiterhin kann es im Zuge des ungekühlten Transports und der Lagerung von Gemüse zu einer erhöhten Umwandlung von Nitrat zu Nitrit kommen, da höhere Temperaturen die Reduktion von Nitrat zu Nitrit begünstigen. Nitrit ist giftig für Tiere und Menschen, wenn es in hohen Konzentrationen aufgenommen wird, da es den Sauerstofftransport im Körper beeinflusst. Nitrit kann an Hämoglobin, den roten Blutfarbstoff, binden und es kommt zur Bildung von Methämoglobin. Methämoglobin ist eine Form von Hämoglobin, die nicht in der Lage ist, Sauerstoff zu binden und freizusetzen, wie es normales Hämoglobin tut. Infolgedessen führt die Bildung von Methämoglobin zu einer verminderten Sauerstoffversorgung des Gewebes und damit zu Hypoxie.

Eine hohe Konzentration von Methämoglobin im Blut kann eine ernsthafte Gesundheitsgefahr darstellen und Symptome wie Atemnot, Blauverfärbung der Haut, Kopfschmerzen bis hin zu Bewusstlosigkeit verursachen. Insbesondere Säuglinge und Kleinkinder sind aufgrund ihrer höheren Anfälligkeit für Methämoglobinbildung gefährdet, weshalb die Zubereitung von Säuglingsnahrung mit stark Nitrat-belastetem Wasser vermieden werden sollte.

Als weiteres Gesundheitsrisiko einer erhöhten Nitrat-/Nitritbelastung wird die vermehrte Formierung von Nitrosaminen diskutiert. Die Bildung von Nitrosaminen kann unter bestimmten Bedingungen auftreten, insbesondere wenn Nitrit in Kontakt mit eiweißreichen Lebensmitteln, wie z.B. Fleisch, Fisch oder Geflügel, kommt. Nitrosamine können sich sowohl im Lebensmittel selbst, als auch im Magen-Darm-Trakt im Zuge der Verdauung formieren. Die meisten untersuchten Nitrosaminverbindungen erwiesen sich als krebserregend in Tierversuchen. Inwieweit die vermehrte Aufnahme von Nitraten bzw. Nitriten über das Grundwasser und die Nahrung eine erhöhte Bildung von Nitrosaminen im Körper bedingen und damit zur Bildung dieser krebserregenden Verbindungen beitragen, ist noch nicht eindeutig geklärt.

Dass hingegen die vermehrte Aufnahme von Nitrosaminen durch die Nahrung ein gesundheitliches Risiko darstellt, zeigt die im März 2023 veröffentlichte EFSA-Risikobewertung, in der die möglichen Schäden durch Nitrosamine für Mensch und Tier evaluiert und die Exposition der Verbraucher bewertet wurden. Diese hat ergeben, dass die Exposition gegenüber Nitrosaminen in Lebensmitteln für alle Altersgruppen der EU-Bevölkerung Anlass zu gesundheitlichen Bedenken gibt.

Aufgrund dieser erhöhten Risikolage ist es folglich ratsam, mögliche zusätzliche Faktoren, wie erhöhte Nitrat-/Nitritgehalte im Trinkwasser und Lebensmitteln, die zu einer vermehrten Bildung von Nitrosaminen führen könnten, auf ein Minimum zu reduzieren.

Text: Ute Haßmann
Foto von Loren King auf Unsplash

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Nitrite und Nitrate

Nitrite sind Salze und Ester der salpetrigen Säure HNO2. Als Nitrate werden die Salze und Ester der Salpetersäure HNO3 bezeichnet. Die meisten Salze sind gut wasserlöslich.

Lebensmittelzusatzstoffe (E 249-252)

Natrium- und Kaliumsalze von Nitriten (E249-250) und Nitraten (E251-252) sind als Lebensmittelzusatzstoffe in der EU zugelassen. Sie werden in Fleisch-, Fisch- und Käseprodukten eingesetzt, um das Wachstum von Bakterien zu verhindern. Im Rahmen des EFSA-Programms zur Neubewertung aller in der EU vor 2009 zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffe wurde auch die Sicherheit von Nitriten und Nitraten, die Lebensmitteln zugesetzt werden, geprüft. Im Juni 2017 veröffentlichte die EFSA zwei wissenschaftliche Gutachten mit der Schlussfolgerung, dass die festgelegten Höchstmengenaufnahmen sicher sind. Die derzeit von der Europäischen Kommission (SCF, 1997) festgelegte zulässige Aufnahmemenge (acceptable daily intake (ADI)) für Nitrat liegt bei 3,7 mg/kg Körpergewicht pro Tag, der von Nitrit bei 0,06 mg/kg Körpergewicht pro Tag. Das Gremium empfiehlt aber, im Hinblick auf die mit Sorge betrachtete Belastung durch Nitrosamine, weitere Studien zu den sich in verschiedenen Fleischerzeugnissen bildenden Nitrosaminkonzentrationen, sowie groß angelegte epidemiologische Studien zur Aufnahme von Nitrit, Nitrat und Nitrosaminen sowie dem Risiko für bestimmte Krebsarten.

Nitrate in der Landwirtschaft

Nitrate werden in der Landwirtschaft als Dünger auch in Form von Gülle eingesetzt. Diese so genannten Wirtschaftsdünger enthalten Stickstoff zum Teil als Nitrat (Calciumnitrat in Blaukorn) oder als Ammoniumverbindungen (Ammoniumnitrat, Ammoniumphosphat), sowie in Form von organischen Stickstoffverbindungen (Proteine, Amine, Harnstoff). Die europäische Nitratrichtlinie (EU-RL 91/676/ EWG) hat das Ziel, Verunreinigungen des Grundwassers durch landwirtschaftliche Nitrateinträge zu vermeiden. Durch Aktionsprogramme müssen Regierungen Maßnahmen entwickeln, um Nitratgehalte über 50 mg/l zu verhindern. In Deutschland wurde die Richtlinie bisher nur unzureichend umgesetzt, weshalb der Europäische Gerichtshof Deutschland 2018 wegen Verletzung der EU-Nitratrichtlinie verurteilte. Seit Mai 2020 ist in Deutschland nun die neue Düngeverordnung rechtskräftig, mit deren Hilfe ein verminderter Eintrag von Nitraten umgesetzt werden soll.