Die Engelstrompete – Eine gefährliche Biodroge

Die Engelstrompete (Brugmansia spec.), eine beeindruckende Pflanze mit einem verführerischen Duft und großen, trompetenförmigen Blüten, an denen man sich derzeit gerade in vielen Gärten und Parks erfreuen kann, ist nicht nur ein optisches Highlight des Herbstes, sondern auch eine toxikologische Herausforderung.

Ursprünglich in Südamerika beheimatet, ist die zu den Nachtschatten-gewächsen gehörende Pflanze, mittlerweile weltweit verbreitet, auch in Deutschland, wo sie häufig als Zierpflanze kultiviert wird. Doch ihre Schönheit täuscht über ihre potenzielle Gefährlichkeit hinweg: Die Engelstrompete ist in die Risikokategorie 3 (RK3), und damit als „sehr giftig“ eingestuft.

Bedingt wird die Toxizität der Engelstrompete durch Tropanalkaloide. Dies sind natürlich vorkommende organische Verbindungen aus der Gruppe der Alkaloide, die sich chemisch vom Tropan ableiten. Bisher sind etwa 140 verschiedene Tropanalkaloide bekannt. Wichtigste Tropanalkaloide in der Engelstrompete sind insbesondere Scopolamin (L-Hyoscin), L-Hyoscyamin und Atropin (D,L-Hyoscyamin). Diese Stoffe sind nicht nur in der Engelstrompete enthalten, sondern auch in anderen bekannten Giftpflanzen, wie z.B. der Tollkirsche oder dem Stechapfel. Scopolamin, der Hauptwirkstoff der Engelstrompete, ist, wie auch Atropin, nicht nur toxikologisch von Bedeutung, sondern wird in geringem Umfang auch pharmakologisch genutzt, beispielsweise als Antiemetikum, zur Vorbeugung von Übelkeit oder Erbrechen (Reisekrankheit), oder zur Weitung der Pupillen (Ophthalmikum).

Scopolamin und Atropin wirken als Antagonisten an muskarinischen Acetylcholinrezeptoren, was zu einer Hemmung des parasympathischen Nervensystems führt. Dies erklärt die anticholinerge Wirkung, die bei einer Überdosierung toxische Symptome hervorruft, wie trockene Schleimhäute, Tachykardie, Verwirrung und Halluzinationen. Besonders besorgniserregend ist der Kontrollverlust, der in deliranten Zuständen Horrortrips auslösen, und sogar mit Selbstverstümmelungen enden kann. In extremen Fällen führt die Vergiftung zum Tod durch zentrale Atemlähmung.

In den indigenen Kulturen Südamerikas wurde die Pflanze rituell verwendet, um tranceähnliche Zustände zu induzieren. Auch heute wird die Engelstrompete als Biodroge missbraucht, und ist besonders unter Jugendlichen bekannt. Die aktiven Inhaltsstoffe finden sich in allen Pflanzenteilen. Vornehmlich werden Blüten und Blätter geraucht, gegessen oder als Tee zubereitet, um Rauschzustände hervorzurufen.
Der Konsum der Engelstrompete als Droge birgt große Gefahren, da die Dosierung der giftigen Alkaloide schwer abzuschätzen ist. Zudem treten die ersten Symptome erst 30-60 Minuten nach Aufnahme ein, was zu einer weiteren, erhöhten Einnahme bis zum Symptombeginn verleiten kann. Häufig mit dramatischen Folgen. Immer wieder berichten Giftnotrufzentralen von schweren Vergiftungen durch den missbräuchlichen Konsum von Engelstrompeten. Schwere Delirien, fiebertraumartige Halluzinationen und sogar Todesfälle werden dabei dokumentiert.

Die hohe Verfügbarkeit der Pflanze aufgrund ihrer Beliebtheit als Zierpflanze macht es leicht, kostenlos an die Biodroge zu kommen. Weiterhin finden sich, mittlerweile gut zugänglich, viele Informationen über die Zubereitung und angeblich „sichere“ Dosierung im Internet, wodurch Jugendliche dazu verleitet werden, mit dieser Droge zu experimentieren.

Während die Inhaltsstoffe der Engelstrompete, aber auch der Tollkirsche, (Scopolamin, Atropin) in der Pharmakologie wertvolle Anwendung finden und dort ihre kontrollierte Aufnahme sicher und hilfreich ist, birgt die unkontrollierte Verwendung als Rauschmittel extreme Risiken und sollte deshalb unterlassen werden.

Text: Ute Haßmann
Foto von Heike Franke

Links:

  • Hermanns-Clausen et al., 2019. Risikokategorisierung durch den Ausschuss „Giftigkeit von Pflanzen“.
  • BAnz AT 02.07.2021 B4.pdf | bundesanzeiger.de
  • Risiko Pflanze - Einschätzung und Hinweise | bund.de
  • s00103-023-03780-7.pdf (springer.com) | Umweltbundesamt | springer.com

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Der Vorschlag, Engelstrompete als Gift des Monats September zu küren…

…kam von Dr. Heike Franke, wissenschaftliche Leiterin des PGS „Toxikologie und Umweltschutz“ der Universität Leipzig (Medizinische Fakultät), wissenschaftliche Mitarbeiterin am dortigen Rudolf Boehm Institut für Pharmakologie und Toxikologie und gemeinsam mit Frau Adelgunde Graefe Vorsitzende des AK Tox Wiki der GT. Der Schwerpunkt des Arbeitskreises liegt im Aufbau einer Toxikologie-Datenbank. Ziel des Projektes ist es, vorhandenes Material, das im Rahmen der Neuauflage des Fachlexikons Toxikologie gesammelt und aufbereitet wird, systematisch zu erfassen, zu ordnen und weiter zu nutzen.

Zu den Interessensgebieten von Heike Franke gehören Pflanzengifte. So war sie auch mit an der Analyse von Pflanzenvergiftungen des Gemeinsamen Giftinformationszentrums Erfurt (GGIZ) beteiligt.

Ziel dieses Artikels über die Engelstrompete ist es, die Aufklärung der Bevölkerung über giftige heimische Pflanzen voranzutreiben und darüber hinaus eindrücklich vor der missbräuchlichen Verwendung von Engelstrompeten Blüten oder Blättern als Biodroge zu warnen.

Pflanzenvergiftungen

Von den etwa 3.000 heimischen Pflanzenarten haben etwa 150 ein relevantes Vergiftungspotenzial. Die Giftigkeit hängt von Faktoren wie Pflanzeninhaltstoffen, Reifegrad und Umweltbedingungen ab, während Dosis, Empfindlichkeit und Expositionsdauer die Vergiftungsschwere beeinflussen. Besonders häufig treten Pflanzenvergiftungen bei Kindern auf. Dies zeigt eine Erhebung und umfangreiche statistische Auswertung von Datenmaterial (im Zeitraum 2010-2019) des GGIZ Erfurt, welches die Bevölkerung der Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern betreut.

Im Kindesalter machen Pflanzenvergiftungen 15 % der Anfragen aus, bei Erwachsenen hingegen nur 2 %. Besonders gefährdet sind Kinder, da sie das Giftpotenzial nicht einschätzen können, vor allem bei attraktiven Früchten, die 53,7 % der Expositionen ausmachen. Pflanzen mit hohem realen Vergiftungsrisiko sind dabei Wunderbaum, Tollkirsche, Stechapfel und Engelstrompete.

Risikoklassifizierung giftiger Pflanzen

Der Bundesanzeiger für giftige Pflanzen ordnet Pflanzen in 3 Risikoklassen ein, um die Giftigkeit für den Menschen besser bewerten zu können. Dabei unterscheidet er in folgende Klassen:
• Risikoklasse 1 (RK1): Leicht giftig – geringe Gefahr, es sind nur milde Vergiftungserscheinungen zu erwarten.
• Risikoklasse 2 (RK2): Giftig – moderate Gefahr, Vergiftungen sind bei einer signifikanten Exposition möglich.
• Risikoklasse 3 (RK3): Sehr giftig – höchste Gefahrenstufe, bereits kleine Mengen können zu schwerwiegenden, potenziell lebensbedrohlichen Vergiftungen führen.

Die Risikoklasse 3 (RK3) stellt die höchste Gefahrenstufe dar. Pflanzen in RK3 erfordern besondere Vorsicht und klare Warnhinweise, da selbst kleine Mengen dieser Pflanzen schwere bis lebensbedrohliche Vergiftungen verursachen können. Diese Klassifizierung unterscheidet sich von anderen internationalen Klassifikationen, wie dem GHS-System, bei dem die höchste Gefahrenstufe typischerweise mit Kategorie 1 bezeichnet wird.

Therapie bei Vergiftung

Innerhalb der ersten Stunde nach Aufnahme erfolgen resorptionsverhindernde Maßnahmen (Aktivkohlegabe, Magenspühlung). Physostigminsalicylat wird als spezifisches Antidot verabreicht. Im Rahmen intensivmedizinischer Maßnahmen kann durch künstliche Beatmung einer drohenden Atemlähmung entgegengewirkt werden. Eine nichtmedikamentöse Temperartursenkung könnte die Therapie unterstützen. Die gleiche Behandlung nimmt man auch bei Atropinvergiftungen vor.