Cobalt in Medizinprodukten: Herausforderungen durch die harmonisierte EU-Einstufung
Cobalt (Kobalt, Co) ist ein natürlich vorkommendes Spurenelement, das in der Erdkruste, in Mineralien, Böden, Meerwasser sowie in geringen Mengen in Pflanzen, Tieren und im menschlichen Körper vorkommt. Als zentrales Metallatom von Vitamin B12 (Cobalamin) ist es für den menschlichen Organismus essentiell und spielt eine entscheidende Rolle bei der Blutbildung, Zellteilung und Funktion des Nervensystems.
Abhängig von Konzentration, chemischer Form, Oxidationsstufe, Aufnahmeweg und Dauer der Exposition kann Cobalt jedoch toxisch wirken. In hohen Dosen kann es nach Inhalation oder oraler Aufnahme zu akuter Toxizität kommen, mit Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Atemnot, Kreislaufversagen oder akuten Nierenschäden. Auch Reizungen der Atemwege bis hin zu toxischer Pneumonitis sind möglich.
Eine chronische Exposition kann bereits in deutlich geringeren Konzentrationen zu Schädigungen verschiedener Organsysteme führen. Betroffen sind insbesondere das blutbildende System, die Schilddrüse, das Herz, die Lunge und die Nieren. In Tierstudien zeigten Cobalt(II)-Verbindungen wie Cobaltsulfat oder -chlorid bei inhalativer oder parenteraler Exposition tumorbildende Effekte, vor allem in der Lunge. Entsprechend wurde metallisches Cobalt von der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) in die Kategorie 1B („kann beim Menschen Krebs erzeugen“) eingestuft.
Cobalt(II)-Ionen wirken über die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) genotoxisch und verursachen oxidative DNA-Schäden. In verschiedenen in-vitro-Testsystemen zeigten sich auch Störungen der Spermatogenese und Hinweise auf Embryotoxizität, was zur zusätzlichen Einstufung als reproduktionstoxisch (Kategorie 1B) und mutagen (Kategorie 2) führte. Seit dem 9. März 2020 gilt Cobalt aufgrund dieser Erkenntnisse als CMR-Stoff (krebserzeugend, mutagen, reproduktionstoxisch) mit harmonisierter Einstufung durch die ECHA. Diese Einstufung bringt im Rahmen der europäischen Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation, MDR) erhebliche Herausforderungen mit sich: So dürfen CMR-Stoffe der Kategorien 1A und 1B nur dann in Konzentrationen über 0,1 % (w/w) in Medizinprodukten enthalten sein, wenn dafür eine spezifische und wissenschaftlich begründete Ausnahme vorliegt.
Cobalt findet sich in der Medizintechnik vor allem in Cobalt-Chrom-Legierungen und Edelstählen – entweder als Hauptbestandteil oder als technische Verunreinigung. Stabile Legierungen setzen im Körper jedoch deutlich weniger Cobalt-Ionen frei als reines metallisches Cobalt, was zu einer geringeren biologischen Verfügbarkeit führt. Die regulatorische Einstufung unterscheidet derzeit jedoch nicht nach chemischer Form oder Matrix – ein Umstand, den viele Hersteller als nicht risikoadäquat bewerten.
Auf Seiten der Regulierungsbehörden wird hingegen betont, dass potenzielle Langzeitrisiken – insbesondere bei dauerhaft im Körper verbleibenden Produkten wie Implantaten – berücksichtigt werden müssen. Dieses vorsichtige Vorgehen soll dem Schutz der Patientensicherheit dienen. Derzeit fordern Fachverbände eine differenziertere Bewertung auf Basis realistischer Expositionsszenarien, um eine evidenzbasierte und praxistauglichere Regulierung zu ermöglichen.
Text: Ute Haßmann
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Links:
- ECHA Europa, 2021
- Alexander CS. Cobalt-beer cardiomyopathy. A clinical and pathologic study of twenty-eight cases. Am J Med. 1972 Oct;53(4):395-417. doi: 10.1016/0002-9343(72)90136-2. PMID: 4263183.
- https://www.fda.gov/...
- Eichenbaum, Gary, et al. "An integrated benefit-risk assessment of cobalt-containing alloys used in medical devices: Implications for regulatory requirements in the European Union." Regulatory Toxicology and Pharmacology 125 (2021): 105004.
- Kovochich, Michael, et al. "Carcinogenic hazard assessment of cobalt-containing alloys in medical devices: review of in vivo studies." Regulatory Toxicology and Pharmacology 122 (2021): 104910.
- Monnot, Andrew D., et al. "A hazard evaluation of the reproductive/developmental toxicity of cobalt in medical devices." Regulatory Toxicology and Pharmacology 123 (2021): 104932.
- Zhang, Shumin, et al. "Carcinogenic assessment of cobalt-containing alloys in medical devices or cobalt in occupational settings: A systematic review and meta-analysis of overall cancer risk from published epidemiologic studies." Regulatory Toxicology and Pharmacology 125 (2021): 104987.
- Microsoft Word - 2016-10-25 Zweiseiter Position_Cobalt Einstufung clear
- Bewertung von Cobalt als Bestandteil in Dentallegierungen | Quintessenz Verlags-GmbH
Der Vorschlag Cobalt als Gift des Monats Mai 2025 zu wählen, kam vom Arbeitskreis Kanzerogenese…
…weil Cobalt als CMR Substanz eingestuft wurde und dadurch die Diskussion um eine differenzierte regulatorische Bewertung am Beispiel von Kobalt in Legierungen hochaktuell ist sowie die Stolpersteine einer harmonischen Einstufung zeigt. Der AK möchte auf die Herausforderungen einer einheitlichen CMR Bewertung vor dem Hintergrund der Diskrepanz zwischen wissenschaftlicher Evidenz und rechtlicher Auslegung aufmerksam machen.
Cobalt-Vorkommen
Der Name „Cobalt“ stammt vom deutschen Wort „Kobold“ ab, was „böser Geist“ bedeutet. Bergleute im Mittelalter nannten das Metall so, weil kobalthaltige Erze beim Schmelzen giftige Dämpfe freisetzten und wenig wertvolles Metall enthielten –einen Fluch oder böse Kräfte wurden vermutet.
Cobalt ist ein natürlich vorkommendes Spurenelement, das in der Umwelt auf Grund seiner hohen Reaktivität mit Sauerstoff, Schwefel und anderen Elementen, nur gebunden vorkommt. Es findet sich in Mineralien wie Cobaltit und Erythrin. In Böden, Gewässern und Pflanzen liegt Cobalt hauptsächlich als zweiwertiges Ion (Co²⁺) vor. Im menschlichen Körper ist Cobalt biologisch gebunden, vor allem als zentrales Atom im Vitamin B12. Die Hauptaufnahmequellen durch Lebensmittel sind deshalb auch tierische Produkte wie Leber, Fleisch, Fisch, Eiern, Milch und Käse in denen es in Vitamin B12 gebunden vorkommt. Elementares, metallisches Cobalt kommt in der Natur nicht vor und wird industriell aus Erzen durch chemische oder elektrolytische Verfahren gewonnen. Darüber hinaus wird Cobalt seit Jahrhunderten, vor allem in Form von Kobaltblau, als Pigment für Keramik, Glasuren und Künstlerfarben verwendet.
Metallisches Cobalt ist relativ stabil und setzt nur langsam Ionen frei. Cobaltverbindungen und gelöste Cobalt-Ionen sind dagegen reaktiver und biologisch leichter verfügbar, was ihre Wirkung und Toxizität beeinflusst.
Regulatorischer Rahmen
Für Medizinprodukte schreibt die MDR, die seit dem 26. Mai 2021 verbindlich anzuwenden ist, in Anhang I, Kapitel II, Punkt 10.4 vor, dass krebserzeugende, mutagene oder reproduktionstoxische Substanzen der Kategorien 1A und 1B nur in Konzentrationen über 0,1 % (w/w) in einem Medizinprodukt enthalten sein dürfen, wenn eine spezifische Begründung vorliegt. Diese Begründung muss wissenschaftlich untermauert und im Rahmen der Konformitätsbewertung dokumentiert werden. Zudem ist eine besondere Kennzeichnung am Produkt erforderlich.
In der Praxis bedeutet dies, dass Hersteller teilweise auf bewährte Materialien verzichten müssen oder mit aufwändigen Nachweisen belegen müssen, dass ihre Produkte trotz Cobaltanteil sicher sind. Dies erfordert zusätzliche toxikologische Prüfungen, detaillierte technische Dossiers, erweiterte Analytik sowie eine intensivere Abstimmung mit Behörden, Benannten Stellen und Anwendern.
Cobalt, das z. B. in Porzellantassen enthalten ist, gehört zu den Bedarfsgegenständen mit Lebensmittelkontakt und wird gemäß der EU-Richtlinie 84/500/EWG in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 sowie der deutschen Bedarfsgegenständeverordnung geregelt. Diese legen bisher keinen spezifischen Grenzwert für Cobalt fest.
Kobalt-Kardiomyopathie
Ist eine krankhafte Erweiterung und Schwächung des Herzmuskels, die bei vielen Betroffenen zu Herzversagen führt. Sie trat in Form einer Lebensmittelvergiftung erstmals in den 1960er Jahren bei starken Biertrinkern in Quebec auf, deren Bier mit Cobalt-salzen als Schaumbremse versetzt war.
Sensibilisierung
Kobalt zählt zu den bedeutenden Auslösern von allergischer Kontaktdermatitis. Besonders sensibilisierte Personen können bereits auf niedrigste Mengen reagieren. Daher ist Kobalt auch in Kosmetika streng reguliert, wobei technisch unvermeidbare Spuren toleriert werden, sofern keine Gesundheitsgefahr besteht.