Cholera – trotz Wissen um die Gefahr weiterhin auf dem Vormarsch

Ende Februar saßen etwa 3000 Menschen auf einem Kreuzfahrtschiff in der Karibik fest. Weder auf La Réunion noch Mauritius gewährten die Behörden den Menschen Einlass. Grund für diese drastische Maßnahme war ein vermehrtes Auftreten von Magen-Darm-Erkrankungen an Bord des Schiffes, weshalb erst abgeklärt werden musste, ob die Erkrankungen durch den Cholera-Erreger ausgelöst wurden. Der Verdacht bei dem aus Afrika kommenden Schiff wurde glücklicherweise nicht bestätigt und es gab Entwarnung für die Reisenden.

Leider gilt dies nicht für weite Teile des südlichen Afrikas und des indischen Subkontinents. Steigende Zahlen an Cholerainfektionen sowie an Ländern, aus denen neue Choleraausbrüche gemeldet werden führen zu einer weltweit angespannten Lage. Allein für das Jahr 2023 geht die Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 667.000 Krankheits- und rund 4.000 Todesfällen aus.

Cholera ist eine akute bakterielle Durchfallerkrankung (Enteritis) die durch Infektion mit dem Bakterium vibrio cholerae ausgelöst wird. Bei vibrio cholerae handelt es sich um ein gramnegatives, stäbchenförmiges Bakterium aus der Familie der Vibrionen.

Nach Aufnahme in den Darm produziert vibrio cholerae ein Enterotoxin, das so genannte Choleratoxin. Das Toxin wird hauptsächlich während der exponentiellen Wachstumsphase des Bakteriums produziert, wenn es sich aktiv vermehrt und in ausreichend großer Anzahl vorhanden ist.

Das Choleratoxin ist ein Proteinmolekülkomplex der aus einer Untereinheit A und fünf identischen Untereinheiten B besteht. Die Untereinheiten arbeiten zusammen bei der Wirkung des Toxins auf den Körper.
Die B-Untereinheit des Choleratoxins ist verantwortlich für die Bindung an spezifische Zelloberflächenrezeptoren, insbesondere an die Oberfläche von Darmephitelzellen im Dünndarm. Diese Bindung ermöglicht die Internalisierung des Toxins in die Zellen (Endozytose). Sobald das Choleratoxin in die Zelle aufgenommen wurde, wird die A-Untereinheit freigesetzt, die für die eigentliche Toxizität verantwortlich ist.

Die A-Untereinheit enthält eine enzymatische Domäne, die ADP-Ribosyltransferase-Aktivität besitzt und eine Signalkaskade in der Zelle in Gang setzt. So katalysiert sie die Übertragung von ADP-Ribose auf ein G-Protein. Durch diese Übertragung wird das G-Protein dauerhaft aktiviert. Die dauerhafte Aktivierung des G-Proteins stimuliert exzessiv die Adenylatzyklase, die zu einer übermäßigen Produktion von cyclischem Adenosinmonophosphat (cAMP) in den Zellen des Dünndarms führt. Als wichtiger second Messanger beeinflusst cAMP den Ionentransport in der Zellmembran. Insbesondere führt es zur Aktivierung von Chloridkanälen und zur Hemmung der Natrium-Kalium-Pumpe. Das Ergebnis ist eine massive Ausscheidung von Chloridionen bei gleichzeitiger Hemmung der Rückresorption von Natriumionen. Dies führt zu einem starken Salz (NaCl)- und Flüssigkeitsverlust in den Darm, was die charakteristischen wässrigen Durchfälle zur Folge hat, die mit einer Cholera-Infektion verbunden sind.

Erkrankte können so bis zu 2 Liter Flüssigkeit pro Stunde verlieren und erleiden dabei eine bedrohliche Elektrolytentgleisung, was zu Nierenversagen, Kreislaufkollaps und Tod führen kann.

Die Mehrzahl der Cholearainfektionen verläuft jedoch asymptomatisch oder mild. Diese Personen scheiden jedoch bis zu zehn Tage nach der Infektion Bakterien aus, die in den Wasserkreislauf gelangen und so andere Menschen infizieren können, was die Verbreitung von Cholera zusätzlich begünstigt.

Text: Ute Haßmann
Foto von Tony Lam Hoang auf Unsplash
Illustration von www.MedicalGraphics.de als Lizenz CC BY-ND 4.0 DE

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Der Vorschlag Choleratoxin als diesmonatiges Gifts zu küren…

kam von Prof. Holger Barth, Institutsdirektor des Instituts für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Toxikologie und Naturheilkunde des Universitätsklinikum Ulm und Vorsitzender des GT-Arbeitskreises Biogene Toxine. Schwerpunkt seiner Forschung ist die Untersuchung des Zusammenspiels von verschiedenen Proteinen in funktionellen Komplexen, die gemeinsam den Transport von Proteinen über Zellmembrane vermitteln. Dabei dienen der Forschungsgruppe Bakterientoxine als ideale Modelle hoch spezialisierter und extrem effizienter Proteintransportmaschinen, die im Inneren menschlicher Zellen wirken.

Biogene Toxine

sind chemische Verbindungen, die von Mikroorganismen wie Bakterien und Algen aber auch von Pilzen, Pflanzen oder Tieren gebildet werden und für andere Organismen schädlich oder sogar tödlich sind. Biogene Toxine werden hauptsächlich durch den Sekundärstoffwechsel gebildet, sind also für den Organismus selbst nicht lebensnotwendig. Sie dienen in erster Linie der Verteidigung, wie dem Fraßschutz. Manche Tiere benutzen ihr Gift auch zur Lähmung bzw. Tötung von Beutetieren. Die Wirksamkeit von biogenen Toxinen auf verschiedene Lebewesen variiert stark, da sie von verschieden Faktoren wie der Art und Weise der Aufnahme, dem Stoffwechsel des jeweiligen Organismus und seiner Empfindlichkeit abhängt.

Enterotoxine

sind von Mikroorganismen produzierte Giftstoffe, die ihre schädliche Wirkung im Gastrointestinaltrakt entfalten. Es sind zytotoxische (zelltoxische) Proteine, die meist durch Porenbildung in der Zellmembran die Permeabilität der Epithelzellen in der Darmschleimhaut verändern und so einen Zelltod verursachen. Als Folge kann es zu einer Gastroenteritis kommen.

Bakterielle Proteintoxine

Cholaratoxin gehört zur Gruppe der bakteriellen Proteintoxine. Bakterielle Proteintoxine sind die giftigsten bekannten Substanzen und direkte Auslöser zahlreicher lebensbedrohlicher Erkrankungen beim Menschen. Somit stellen sie wichtige Wirkstoffziele dar und die Suche nach Inhibitoren, um ihre Giftwirkung zu unterdrücken ist von hoher wissenschaftlicher und medizinischer Relevanz.

Ansteckung mit Cholera

Das natürliche Reservoir für vibrio cholerae sind Oberflächengewässer, einschließlich Meereswasser. Die meisten Ausbrüche werden aus tropischen und subtropischen Ländern gemeldet. Die Ansteckung mit vibrio cholerae erfolgt meist durch verunreinigtes Trinkwasser, durch Fäkalien, Erbrochenes von erkrankten Personen oder durch den Verzehr verunreinigter Nahrung. Naturkatastrophen wie Hochwasser oder Tsunamis können durch den Zusammenbruch der Wasserversorgung und der Mischung von Ab- und Trinkwasser ebenfalls zu Choleraausbrüchen führen.

Die Zeit zwischen Ansteckung und Krankheitsausbruch ist einige Stunden und meist nicht länger als 2-3 Tage.

Vorbeugung und Impfung

"Cook it, boil it, peel it or forget it!" ist ein wichtiger Leitsatz zum Umgang mit Lebensmitteln in Gebieten, in denen Cholerainfetionen nicht ausgeschlossen werden können. In Deutschland ist der orale Totimpfstoff Dukoral zugelassen, der allgemein gut verträglich ist. in anderen Ländern sind auch attenuierte Lebendimpfstoffe gegen Cholera zugelassen.