Bti: Selektives Biolarvizid – im Spannungsfeld von Wirksamkeit und Biodiversität

Bacillus thuringiensis israelensis (Bti) ist ein in der Umwelt vorkommendes Bodenbakterium, das seit den 1980er-Jahren gezielt zur Bekämpfung von Stechmücken (Culicidae) und Kriebelmücken (Simuliidae) und anderen blutsaugenden Insekten eingesetzt wird. Vor allem in Überschwemmungsgebieten entlang des Rheins kommt Bti seit Jahrzehnten flächendeckend zum Einsatz, um die Massenvermehrung von Mückenlarven und damit die Belastung der Bevölkerung durch die „Rheinschnaken“ zu minimieren.
Das Bakterium bildet während der Sporulation Eiweißkristalle (Cry- und Cyt-Toxine), die für Mückenlarven hochgiftig sind. Nach oraler Aufnahme durch die Larven werden die Toxine im Darm in ihre aktive Form umgewandelt und führen durch verschiedene Mechanismen zur Zerstörung der Darmwand. Es resultiert ein unkontrollierter Ionen- und Wasseraustausch, da die Barrierefunktion der Darmwand aufgehoben wird. Osmotischer Schock und Sepsis führen binnen 24 Stunden zum Tod der Tiere.
Die Spezifität der Toxine resultiert aus der Kompatibilität mit Rezeptoren der Zielorganismen. Wirbeltiere (Vertebraten) besitzen keine homologen Darmrezeptoren. In bisherigen Studien konnte nach oraler, inhalativer und dermaler Exposition keine akute Toxizität für Warmblüter (NOAEL > 5000 mg/kg KG in Rattenmodellen) nachgewiesen werden. Darüber hinaus gibt es keine Hinweise auf kanzerogene, mutagene oder reproduktionstoxische Eigenschaften. Auch für Fische, Mollusken und Makrozoobenthos wird Bti als weitgehend unbedenklich eingestuft, wenngleich additive Effekte bei jahrelanger Applikation nicht ausgeschlossen werden können. Die WHO stuft Bti in die Toxizitätsklasse U („unlikely to present acute hazard“) ein.
Obwohl Bti als selektiv und nach heutigem Stand als sicher gilt, sind Nebenwirkungen auf die Umwelt und Nichtzielorganismen nicht ausgeschlossen. Verschiedene Studien deuten darauf hin, dass auch andere Wasserinsekten, wie Chironomiden (Zuckmücken) oder Amphibienlarven, durch wiederholte Bti-Ausbringung beeinträchtigt werden können. Da Bti nicht nur zur Mückenbekämpfung, sondern weltweit in der biologischen Schädlingsbekämpfung auch in Landwirtschaft, Forstwirtschaft und im Gartenbau gegen Trauermücken oder Eichenprozessionsspinner eingesetzt wird ist es von zentraler Bedeutung, eine mögliche Beeinträchtigung der Biodiversität in sensiblen Ökosystemen frühzeitig zu erkennen.
Bti ist in der EU seit 2013 als Biozidwirkstoff für Insektizide (Produktart 18) zugelassen. Die eingesetzten Präparate enthalten Bti-Sporen und Kristallproteine in standardisierten Konzentrationen und werden überwiegend als Granulat per Helikopter oder per Hand appliziert. Es existieren bislang keine harmonisierten Grenzwerte für Bti-Sporexposition am Arbeitsplatz. Obwohl inhalative oder orale Exposition von Menschen mit Bti -haltigen Produkten bisher als unbedenklich gelten, sind bei der Ausbringung jedoch die in den Sicherheitsdatenblättern der Produkte festgelegten Schutzmaßnahmen wie Atemschutz, Handschuhe und Schutzbrille einzuhalten, um Reizungen der Atemwege und mögliche Sensibilisierungen zu vermeiden.
Neu bei der Verwendung von Bti ist seit 2024, dass Bti -haltige Präparate ausschließlich von fachlich geschultem Personal ausgebracht werden dürfen und somit eine Abgabe an die Allgemeinheit, wie es zuvor in den betroffenen Gebieten gängig war, nicht mehr zulässig ist. Hintergrund ist ein Beschluss des EU-Ausschusses für Biozidprodukte (Standing Committee on Biocidal Products, SCBP). Es soll damit möglichen Risiken für das Ökosystem und Risiken für Nichtzielorganismen durch unsachgemäße Anwendung entgegengewirkt werden.

Text: Ute Haßmann
Foto von National Institute of Allergy and Infectious Diseases auf Unsplash

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Der Vorschlag Bti als Gift des Monats Juli 2025 zu wählen, kam vom Arbeitskreis Biogene Toxine…

…um die vielfältigen Wirkmechanismen und Anwendungsbereiche biogener Toxine hervorzuheben, die einerseits große Chancen für eine gezielte Schädlingsbekämpfung eröffnen, andererseits aber auch bislang unterschätzte ökotoxikologische Risiken bergen. Bti illustriert exemplarisch, dass auch natürlich vorkommende Toxine einer differenzierten, evidenzbasierten Bewertung bedürfen.

Bti

ist eine spezifische Unterart von Bacillus thuringiensis und ein sporenbildendes, grampositives Bodenbakterium, das während der Sporulation kristalline δ-Endotoxine synthetisiert.
Die Kristalle werden im stark alkalischen Darmmilieu (pH > 10) der Mückenlarve solubilisiert. Zusätzlich aktivieren Proteasen der Larve die Protoxine zu aktiven Toxinen. Diese binden hochspezifisch an Cadherin-, Aminopeptidase- und Alkaline-Phosphatase-Rezeptoren der Epithelzellen. Die Bindung führt zur Oligomerisierung der Toxine und Porenbildung, woraus der unkontrollierte Ionentransport mit Zytolyse und Barrierestörung des Darms resultiert.

Zulassung

Die Genehmigung von Bti ist derzeit bis zum 31. Dezember 2028 befristet und unterliegt der obligatorischen Neubewertung gemäß Verordnung (EU) Nr. 528/2012, um auf Basis aktueller toxikologischer und ökotoxikologischer Erkenntnisse über eine Verlängerung zu entscheiden. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) koordinieren dabei die Risikobewertung.

KABS

Am Oberrhein wird Bti vor allem durch die Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS) eingesetzt, die sich auf wissenschaftliche Begleitung und Kontrolle beruft, um eine „mückenarme, aber naturnahe“ Region zu erhalten.
Vor Einführung von Bti wurden im Rheingebiet verschiedene chemische Larvizide mit erheblichen ökotoxikologischen Nachteilen eingesetzt: Schon ab den 1920er-Jahren kamen Öle und Paraffine zum Einsatz, die Wasserfauna, Amphibien und Vögel schädigten. Bis Ende der 1970er wurden Organophosphate wie Malathion und Fenitrothion verwendet, stark neurotoxisch und bioakkumulierend. Temephos blieb bis in die 1980er in Gebrauch, war aber langlebiger in Sedimenten als angenommen. Die Umstellung auf Bti erfolgte wegen seiner Selektivität und schnellen Abbaubarkeit, auch wenn Nichtzielinsekten wie Zuckmücken negativ betroffen sind.