Asbest – vom Wundermaterial zum Dauerproblem

Seit dem 31. Oktober 1993 ist in Deutschland der Einbau von Asbest verboten. Trotzdem stiegen die Fallzahlen von Menschen, die durch Asbest krank werden oder daran sterben noch bis in die jüngsten Jahre an. Einerseits bedingt die lange Latenzzeit von bis zu 30 Jahren zwischen dem Einatmen von Asbestpartikeln und dem ersten Auftreten von Krankheitsanzeichen die heutigen Zahlen, andererseits kommt es im Zuge der Altbausanierung und dem unsachgemäßen Umgang mit asbestbelastetem Altmaterial zu aktuellen Belastungen.

Asbest ist ein Sammelbegriff für verschiedene natürlich vorkommende Silikatminerale. Aufgrund seiner hervorragenden Materialeigenschaften wie Hitzebeständigkeit, Festigkeit und Isolationsfähigkeit wurde es als „Mineral der tausend Möglichkeiten“ seit über 100 Jahren in industriellen und verbrauchernahen Bereichen verwendet und in mehr als 3.500 Produkten eingesetzt. Die Gesundheitsgefahren durch Asbest waren bereits Anfang des 20. Jahrhunderts bekannt, und seit 1942 ist Lungenkrebs in Verbindung mit Asbestose in Deutschland als Berufskrankheit anerkannt. Bereits in den 1940er Jahren wurden in Deutschland erste Maßnahmen zur Vermeidung der Asbestexposition getroffen. Effektive Schutzvorschriften wurden jedoch erst 1972 eingeführt, die zwar die Asbestbelastung reduzierten, aber das Risiko für Beschäftigte nicht vollständig eliminierten.

Die Erkenntnis, dass eine umfassende Kontrolle über den gesamten Lebenszyklus von Asbestprodukten nicht möglich ist, führte in Deutschland im Jahr 1995 zum vollständigen Verbot der Herstellung, Vermarktung und Verwendung von Asbestprodukten. Im Jahr 2005 wurde dieses Verbot europaweit umgesetzt. Nicht alle Asbestfasern sind gleich krebserregend, vielmehr gibt es große Unterschiede in der Toxizität. Ausschlaggebend sind vor allem Form, Größe und biologische Abbaubarkeit der Fasern. Zudem können solche Fasern, abhängig von deren Länge, oft nicht von den alveolären Makrophagen beseitigt werden. Dies wird als „frustrane Phagozytose“ bezeichnet, bewirkt zellulären Stress und die Freisetzung entzündlicher Botenstoffe. Besonders Stäube aus langen, dünnen, rigiden und biopersistenten Fasern, die tief in die Lunge eindringen können, bewirken in der Folge chronisch entzündliche Prozesse und nachfolgend schwere Erkrankungen der Atemwege. Bisher ist Asbest jedoch die einzige Faser, bei der die krebserregende Wirkung beim Menschen (humankanzerogene Wirkung) nachgewiesen ist.

Die WHO klassifiziert alle Formen von Asbest als krebserregend für den Menschen. Diese Bewertung basiert auf umfangreichen epidemiologischen Studien, die einen klaren Zusammenhang zwischen Asbestexpositionen und verschiedenen Krebsarten, insbesondere Mesotheliome (ein Krebs des Mesothels, der dünnen Gewebeschicht, die viele innere Organe bedeckt), Lungenkrebs, sowie Kehlkopf- und sehr selten Eierstockkrebs, belegen. Auch nichtmaligne Erkrankungen wie Asbestose, eine fortschreitende und tödliche Lungenerkrankung, sind direkte Folgen der Inhalation von Asbestfasern. Die toxikologische Bewertung der WHO ist eindeutig: Jede Form von Asbest stellt eine erhebliche Gesundheitsgefahr dar, und es gibt keine sichere Expositionsgrenze.

Ist Asbest im Material gebunden, geht von der Faser kein Risiko aus. Kommt es aber durch Materialermüdung oder im Zuge von Sanierungen zum Aufbrechen der Strukturen, können Asbestfasern freigesetzt werden und zu einem Gesundheitsrisiko werden. Erschwerend kommt hinzu, dass asbesthaltige Materialien oft verdeckt eingebaut und unregelmäßig im Gebäude verteilt sind. Sachverstand ist also nötig, um Asbestverbau zu identifizieren. Nach Entfernung asbesthaltiger Materialien müssen diese als gefährliche Abfälle gesammelt und entsprechend entsorgt werden.

Werden Asbestfasern einmal freigesetzt, können sie über Jahre in der Umgebungsluft verbleiben, eingeatmet und so zum Risiko werden, was dringend vermieden werden muss.

Text: Ute Haßmann
Foto von Carl Tronders auf Unsplash

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Der Vorschlag „Asbest“ als diesmonatiges Gift zu küren…

…kam vom Arbeitskreis Inhalationstoxikologie der GT. Obwohl Asbest seit mehr als 30 Jahren verboten ist, bleibt die Gesundheitsgefährdung durch Asbest im Zuge von Sanierungs- und Abbrucharbeiten bestehen.
Mit dem Verbot von Asbest begann die Suche nach anderen, ebenfalls leistungsfähigen Fasern. Fortschritte in der Nanotechnologie haben zur Entwicklung neuer Materialen, wie z. B. „Multiwalled Carbon Nanotubes“ (MWCNT) geführt.

Deren Risikobewertungen werden in Analogie zu Asbest oder auf Basis von Tierstudien gemacht. Dabei bleibt die Datenlage für viele Fasern lückenhaft, was die Experten des Arbeitskreises für Inhalationstoxikologie als kritisch bewerten. So bedarf es für epidemiologisch aussagekräftige Studien große Studiengruppen, die nicht verfügbar sind. Darüber hinaus ist die Übertragbarkeit auf den Menschen bei tierexperimentellen Untersuchungen mit Fasern eingeschränkt. Eine Problematik ist, dass Ratten, die häufig in Tierstudien verwendet werden, hauptsächlich durch die Nase atmen und daher viele Fasern im Zuge von Inhalationsstudien gar nicht aufnehmen. Es sollte sich für die Untersuchung solcher Fasern also anderer Applikationswege bedient werden, wie z. B. der intratrachealen Instillation, was häufig nicht der Fall ist.

MWCNT

sind zylindrische Nanostrukturen, die sich durch ihre außergewöhnliche Festigkeit, elektrische Leitfähigkeit und thermische Stabilität auszeichnen. Ihre Durchmesser liegen im Bereich von 2-100 nm, während ihre Länge mehrere μm betragen kann. MWCNT finden heute in vielen technischen und medizinischen Bereichen Anwendung. So sind sie z. B. in Lithium-Ionen Akkus. In Tierstudien haben sie sich als sehr starke Kanzerogene erwiesen. Derzeit fehlt aber das genaue Wissen, ab welcher Länge, Dicke, oder ab welchem Verhältnis von Länge zu Dicke die pathologischen Faserwirkungen einsetzten, weshalb dringender Forschungsbedarf für einen sicheren Umgang besteht.

WHO-Fasern

Faserstäube sind luftgetragene Partikel aus anorganischen oder organischen Materialien, die eine längliche Form haben. Zu den Faserstäuben zählen neben Asbestfasern auch Glas-, organische und künstliche Mineralfasern.

Toxikologisch besonders bedeutsam sind Fasern, die länger als 5 μm sind, einen Durchmesser von weniger als 3 μm aufweisen und ein Längen-Durchmesser-Verhältnis von mehr als 3:1 haben. Solche Fasern können bis in die tiefen Atemwege vordringen. Fasern mit diesen Eigenschaften werden auch als WHO-Fasern bezeichnet. Für den sachgerechten Umgang mit WHO-Fasern sorgen von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA) veröffentlichte technische Regeln.

Darüber hinaus wird in der TRGS 905 eine Einstufung der Gefährlichkeit durch die Einführung eines Kanzerogenitätsindex (KI) festgelegt. Dieser ergibt sich aus der Differenz zwischen der Summe der Massengehalte der Oxide von Natrium, Kalium, Bor, Calcium, Magnesium, Barium und dem doppelten Massengehalt von Aluminiumoxid. Ist dieser Index kleiner als 30, so wird der Stoff als krebserzeugend definiert, bewegt er sich zwischen 30 und 40, so wird ihm eine mögliche krebserzeugende Wirkung zugetraut, liegt der KI-Wert über 40 gilt er als nicht krebserregend.

Asbestproduktion heute

Obwohl die Verwendung von Asbest in vielen Ländern stark reguliert oder ganz verboten ist, wird Asbest weiterhin produziert und in einigen Regionen der Welt, insbesondere in Entwicklungsländern, verwendet. Länder wie Russland, China und Indien sind nach wie vor führende Produzenten und Verbraucher von Asbest. Diese anhaltende Produktion und Nutzung stellt nicht nur ein lokales Problem dar, sondern kann auch durch den Handel mit asbesthaltigen Produkten globale Auswirkungen haben.