Pyrrolizidinalkaloide als Komponenten in Pflanzen und deren potentielle gesundheitliche Auswirkungen auf Mensch und (Weide-) Tiere

Pyrrolizidinalkaloide (PAs) sind eine große Gruppe von natürlichen chemischen Verbindungen, die von vielen Pflanzen, aber auch Pilzen und Bakterien gebildet werden. Natürlich dienen diese Verbindungen zur Abwehr gegen Fraßfeinde. Bisher wurden PAs in bereits mehr als 350 Pflanzenarten nachgewiesen. Man geht aber davon aus, dass weltweit über 6.000 Pflanzenarten diese, chemisch zu den Alkaloide gehörenden, Verbindungen produzieren. PAs kommen in verschiedenen essbaren Pflanzen vor, die häufig als Kräuter oder in Tees verwendet werden. Einige der bekanntesten heimischen Pflanzen, die PAs enthalten können, sind aus den Familien der Korbblütler (Asteraceae), Borretschgewächse (Boraginaceae) und Hülsenfrüchtler (Fabaceae und Leguminosae).

PA werden hauptsächlich durch Tees (Kräuter- und Rooibostee) und kräuterteehaltige Getränke aufgenommen. Weitere Aufnahme erfolgt bei direktem Konsum von Kräutern wie z. B. Borretsch, Oregano und Liebstöckel, oder durch deren Bestandteil in Gewürzen sowie durch bestimmte Nahrungsergänzungsmittel. Letztere können, trotz verhältnismäßig geringer Verzehrsmengen, einen aus toxikologischer Sicht relevanten Beitrag zur Exposition gegenüber PAs bewirken.

Unbeabsichtigt werden PAs darüber hinaus durch zum Beispiel mitgeerntete Beikräuter oder durch Verwechslung aufgenommen. Ein wichtiges Beispiel hierfür ist Jakobskreuzkraut (Senecio jacobaea), das hohe Gehalte an PA besitzt und in der frühen Wachstumsphase mit Ruccola bzw. blühend mit Johanniskraut verwechselt werden kann.

PAs sind für ihre toxische Wirkung auf die Leber bekannt, wobei nicht alle PAs gleich toxisch sind, sondern bestimmte strukturelle Voraussetzungen dafür gegeben sein müssen. Strukturabhängig können sie akute und chronische Leberschäden verursachen. Zu den akuten und eher unspezifischen Symptomen einer PA-Vergiftung gehören Müdigkeit, Bauchschmerzen, Übelkeit und in schweren Fällen Gelbsucht. Dabei sind PA-bedingte Vergiftungen insbesondere durch eine veno-okklusive Schädigung der Leber (seltener auch der Lunge) gekennzeichnet. Chronische Folgen einer Vergiftung mit PAs können Leberzirrhosen und Leberkrebs sein. Die Toxizität der Verbindungen entsteht durch ihre Metabolisierung in der Leber, bei der es zur Bildung reaktiver Zwischenprodukte kommt, die Proteine und DNA schädigen können. Problematisch ist bei Vergiftungen mit PAs, dass die Symptome oft erst Wochen oder Monate nach der Aufnahme auftreten, was die Diagnose erschwert.

Aufgrund ihrer hohen Toxizität wurden in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen, die Gehalte an PAs in Lebensmitteln zu verringern. Dadurch konnten die Gehalte in den hauptsächlich für die PA-Aufnahme verantwortlichen Lebensmitteln deutlich reduziert werden, so dass das Risiko für Verbraucher gesenkt werden konnte. Da es sich aber um teilweise genotoxische Verbindungen handelt, für die es keine sichere Aufnahmemenge gibt, können selbst kleinste Mengen eine potentielle Gefahr darstellen, weshalb auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zur weiteren Minimierung aufruft.

Problematisch stellt sich die Lage für Weidetiere dar, bei denen es immer wieder zu tödlichen Vergiftungen kommt. Weidetiere wie Rinder, Pferde und Schafe nehmen große Mengen an Pflanzenmaterial auf. Erschwerend kommt hinzu, dass PAs auch in getrockneter Form, und damit im Heu, toxisch bleiben. Die akuten Vergiftungen bei Weidetieren ähneln denen von Menschen. Da die Gehalte an toxischen PAs nicht nur von der Pflanze selbst, sondern auch von äußeren Faktoren wie Wetterverhältnissen und Bodenbeschaffenheit abhängen, sind exakte Angaben nicht möglich. Man schätzt aber, dass eine 1 %ige Verunreinigung durch Jakobskreuzkraut bereits ausreichend sein kann, um die Ernte als gesundheitlich bedenklich für die Tiere einzustufen.

Neben der akuten Gefahr für die Tiere selbst können so entlang der Nahrungskette PAs in von Tieren stammenden Lebensmitteln, wie Honig, Milch und Eier, eingebracht werden. Derzeit liegen jedoch keine Hinweise vor, dass Lebensmittel tierischen Ursprungs Gehalte aufweisen, die ein gesundheitliches Risiko darstellen würden.

Text: Ute Haßmann
Foto von Mike Erskine auf Unsplash

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Der Vorschlag, Pyrrolizindinalkaloide als Gift des Monats Juli zu küren…

…kam vom Arbeitskreis Regulatorische Toxikologie der GT, der sich mit der Bewertung und Regulierung der gesundheitlichen und umweltbezogenen Risiken von Chemikalien aus regulatorischer und wissenschaftlicher Sicht beschäftigt. Besonders in der Sommerzeit, in der Blüten und Kräuter üppig wachsen ist die Gefahr, sich durch Verwechslung oder Unwissenheit mit Pyrrolizidinalkaloiden (PAs) zu vergiften, besonders hoch. Lebensmittel- und Futtermittelhersteller haben in den letzten Jahren viele weitreichende Maßnahmen ergriffen, um die Gehalte in kommerziell erhältlichen Produkten zu verringern. Ziel des Artikels ist es, auf das Vorkommen von PAs in heimischen Pflanzen hinzuweisen, um somit die selbstgesteuerte Aufnahme verringern zu können.

Chemische Struktur von PAs

Chemisch handelt es sich bei PAs um Mono- oder Diester des 1-hydroxymethyl-pyrrolizidins, das als so genannte Necin-Base bezeichnet wird. Verestert sind diese mit aliphytischen mono- oder Dicarbonsäuren, den Necinsäuren, mit einer Kettelänge von 5-10 C-Atomen. Je nach Art und Positionierung der Veresterung(en) unterscheidet man verschiedene Strukturtypen. Abhängig vom Sättigungsgrad und der Stereochemie der Necinbase werden vier Grundtypen definiert. Toxikologisch von höchster Relevanz sind 1,2-ungesättigte PAs.

PAs in Heilkräutern

In einigen traditionell als Heilpflanze genutzten Kräutern und deren Tees finden sich ebenfalls hohe Gehalte an PAs. Dazu zählen Lungenkraut (Pulmonaria spp.), Huflattich (Tussilago farfara), echter Beinwell (Symphytum officinale) oder auch Pestwurz / Coltsfoot (Petasites hybridus).

1,2 ungesättigte PAs

Struktur-Wirkungsuntersuchungen in tierexperimentellen Studien haben gezeigt, dass PAs, bei denen die Necinbase eine 1,2-ungesättigte Necinstruktur aufweist und darüber hinaus diese Necinbase mit mindestens einer verzweigten Necinsäure verestert, über ein erbgutveränderndes (genotoxisches) und krebserzeugendes (kanzerogenes) Potenzial verfügen.

Derzeit werden die Unterschiede bezüglich der krebserzeugenden Potenz der einzelnen 1,2-ungesättigten PA bei der Risikobewertung nicht berücksichtigt, sondern alle 1,2-ungesättigten PA in einer Gruppe zusammengefasst. Um eine genauere Risikobewertung zu ermöglichen, wurde deshalb die Ableitung von Potenzfaktoren für einzelne PAs vorgeschlagen, um die unterschiedlichen Wirkstärken einzelner 1,2-ungesättigter PA und ihrer N-Oxide künftig besser berücksichtigen zu können. Das BfR erachtet die bisherigen Konzepte dazu aber als noch nicht einsetzbar.

Gesetzlich festgelegte Höchstgehalte

In der Europäischen Union (EU) wurden mit der Verordnung (EU) 2020/2040 Höchstgehalte für PAs in bestimmten Lebensmitteln festgelegt, die seit dem 1. Juli 2022 gelten.

Lebensmittel, die darin angegebene Grenzwerte überschreiten, dürfen seitdem nicht mehr in der EU verkauft werden.

Generell gilt jedoch für alle PA-haltigen LM die Empfehlung, die Exposition so weit wie möglich zu minimieren (ALARA-Prinzip: as low as reasonably achievable). Das ALARA-Prinzip wird für alle erbgutverändernden und krebserzeugenden Substanzen angewendet, da selbst geringe Mengen, insbesondere bei regelmäßigem Verzehr, das gesundheitliche Risiko erhöhen können.