Chinin, eine bittere Gefahr?
Den Geschmack von Chinin, einem natürlich vorkommenden Alkaloid, das aus der Rinde des Chinarindenbaums (Cinchona spp.) gewonnen wird, kennen viele Menschen. Es ist der Stoff, der Getränken wie Tonic Water ihren bitteren Geschmack verleiht.
Die Entwicklung von Tonic Water ist jedoch keinesfalls dem Einfall eines findigen Lebensmittelherstellers zu verdanken. Bereits die Inka sollen die Rinde des Chinarindenbaums genutzt haben, um Fieber zu senken. Eine Annahme ist, dass das Wissen über den spanischen Jesuitenpater José de Acosta 1633 nach Europa kam. Ab den 1850er Jahren nahmen britische Kolonialbeamte und Soldaten Chinin als Prophylaxe gegen Malaria ein. Um das pure Medikament aufgrund seines äußerst bitteren Geschmacks erträglicher zu machen, begannen sie Chinin mit Wasser, Zucker und später auch Zitrone zu mischen. So entstand das erste Tonic Water.
Um die gesundheitlichen Risiken zu minimieren ist die Chinin-Konzentration in heutigen Getränken stark reguliert und um ein Vielfaches niedriger, als die zur Malariaprophylaxe eingenommenen Flüssigkeiten.
Die therapeutische Dosis zur Behandlung von Malaria liegt bei 200–600 mg pro Tag. In vergleichbaren Dosen (200-400 mg pro Tag) wird Chinin in Form des Medikaments Limptar® auch in Deutschland zur Behandlung von nächtlichen Wadenkrämpfen verschrieben, einer schmerzhaften Muskelstörung. Es wird angenommen, dass Chinin die Muskelübererregbarkeit durch Beeinflussung der Kalziumkanäle reduziert. Allerdings kann es bis zu vier Wochen dauern, bis es zu einer Reduzierung der Anzahl der Krämpfe kommt.
Die pharmakologische Aktivität von Chinin zeigt jedoch auch toxische Potenziale, wenn Chinin in höheren Dosen eingenommen wird. Eine akute Vergiftung tritt meist bei absichtlicher oder versehentlicher Überdosierung auf. Bereits eine Dosis von 2–4 g kann bei Erwachsenen zu schweren Vergiftungssymptomen führen. Die letale Dosis liegt bei etwa 8–10 g. Unter Chinin-Syndrom (Cinchonismus) fasst man dabei Symptome wie Tinnitus, Sehstörungen, Schwindel, Übelkeit und Kopfschmerzen zusammen, die bei längerer Einnahme oder Überdosierung auftreten. Diese Symptome sind in der Regel reversibel.
Bei einer Hochdosisvergiftung wirkt Chinin kardiotoxisch, was zu Arrhythmien führen kann, die in schweren Fällen tödlich enden können. Zusätzlich ist Chinin neurotoxisch, was sich in Krämpfen, Verwirrung und in extremen Fällen in dauerhaften neurologischen Schäden zeigen kann. Zusätzlich können hämatologische Reaktionen in Form von allergischen oder idiosynkratischen Reaktionen auftreten, die zu schwerer hämolytischer Anämie oder Thrombozytopenie führen können. In seltenen Fällen wurden irreversible Schäden an Augen und Ohren gemeldet.
Die Behandlung von Chinin-Vergiftungen erfolgt symptomatisch, oft mit Magenspülung und der Gabe von Aktivkohle, um die Resorption zu minimieren.
Obwohl der Konsum von Chinin in den erlaubten Höchstmengen in Getränken als sicher gilt, kann es bei empfindlichen Menschen zu Nebenwirkungen wie Übelkeit, Tinnitus oder allergischen Reaktionen selbst bei diesen geringen Konzentrationen kommen. Auch bei der rezeptpflichtigen Anwendung von Chinin zur Behandlung von nächtlichen Wadenkrämpfen ist Vorsicht geboten. So ist die Wirksamkeit begrenzt, während das Risiko von Nebenwirkungen wie Herzrhythmusstörungen, allergischen Reaktionen und hämolytischer Anämie besteht. Als Folge wurde das vormals frei erhältliche Medikament 2015 vom Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als verschreibungspflichtig erklärt, in einigen Ländern ist die Verschreibung von Chinin gegen Wadenkrämpfe sogar verboten worden.
Text: Ute Haßmann
Foto von Slashio Photography auf unsplash+
Links:
- QUININE | Poisoning & Drug Overdose, 7e | AccessMedicine | McGraw Hill Medical
- Chininhaltige Getränke können gesundheitlich problematisch sein - Aktualisierte Gesundheitliche Bewertung Nr. 020/2008 des BfR vom 9. Mai 2008
- Chininhaltige Getränke sind nichts für Schwangere! - BfR
- BfArM - Risikoinformationen - Chinin gegen nächtliche Wadenkrämpfe (Limptar® N): Bescheid des BfArM zu Änderungen der Produktinformation, einschließlich Einschränkung der Indikation, u.a. wegen des Risikos für schwere Blutbildveränderungen (Thrombozytopenien) im Rahmen eines nationalen Stufenplanverfahrens
- File:Chinin.svg - Wikimedia Commons
Chinin
Chinin gehört zu der Gruppe der Chinolin-Alkaloide und besitzt eine komplexe chemische Struktur. Chinin besteht aus einem Chinolingerüst, einem Chinuclidinring und funktionellen Gruppen wie Hydroxyl (-OH)- oder Methoxy (-OCH₃), die die physikalischen und pharmakologischen Eigenschaften beeinflussen. Den schwach basischen Charakter erhält Chinin durch die Stickstoffatome im Chinolin- und Chinuclidinring, die als Protonenakzeptoren reagieren. Chinin bildet in saurer Lösung gut lösliche Salze wie Chininsulfat, das in Medikamenten verwendet wird.
Chinin-Alkaloide werden in Pflanzen durch zwei verschiedene Biosyntheseswege (Shikimat-Weg und die Terpenoid-Biosynthese) synthetisiert. Chinin-Alkaloide sind sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe und dienen der Pflanze wahrscheinlich als Schutz gegen Fraßfeinde.
Chinin wird aus der Rinde von Chinarindenbäumen isoliert, insbesondere von Arten wie Cinchona officinalis und Cinchona ledgeriana. Der Chiningehalt der Rinde variiert zwischen 5–10 %. Die vollständige chemische Synthese von Chinin wurde erstmals 1944 von Woodward und Doering beschrieben. Aufgrund der Komplexität wird Chinin jedoch weiterhin hauptsächlich aus natürlichen Quellen extrahiert.
Malariatherapie
Malaria ist eine der weltweit bedeutendsten Infektionskrankheiten. Die Wirkung von Chinin als Antimalariamittel beruht darauf, dass Chinin die Entwicklung von Plasmodium-Parasiten, die die Krankheit verursachen, hemmt. Plasmodium-Parasiten werden durch den Stich einer infizierten weiblichen Anopheles-Mücke übertragen.
Die Wirkung von Chinin beruht auf der Störung der Häm-Polymerisation in der Nahrungsvakuole der Parasiten, was zu deren Absterben führt.
Aufgrund der Entwicklung moderner und weniger toxischer Medikamente wird Chinin heute nur noch selten zur Malariatherapie eingesetzt, dient aber oft als Reservepräparat bei medikamentenresistenten Parasiten.
Zulässige Konzentration von Chinin in Getränken
Die zulässige Konzentration in der Europäischen Union ist auf maximal 85 mg/l für nicht alkoholische Getränke und auf maximal 300 mg/kg für Spirituosen begrenzt. Diese Konzentrationen gelten als allgemein sicher für den allgemeinen Konsum. Ausgenommen sind davon empfindliche Personen, aber auch Schwangere. Hier empfiehlt das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) vorsorglich auf den Konsum chininhaltiger Getränke zu verzichten.
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
Chinin wird über das Cytochrom-P450-Enzymsystem in der Leber metabolisiert, wodurch Wechselwirkungen mit anderen Substanzen, die den gleichen metabolischen Weg nutzen, auftreten können.
Die gleichzeitige Einnahme mit Antidepressiva, Antiarrhythmika oder anderen potenziell kardiotoxischen Substanzen kann zu einer Verstärkung der Nebenwirkungen führen. Weiterhin kann Chinin die Wirkung von Blutverdünnern wie Warfarin verstärken oder die Wirkung bestimmter Antibiotika verändern. Diese Wechselwirkungen könnten zu unerwarteten, gefährlichen Gesundheitszuständen führen, weshalb eine medizinische Überwachung wichtig ist. Besonders gefährdet sind dabei empfindliche Personen, ältere Menschen, Schwangere und Personen mit Leber- oder Nierenschäden.